Beantragt ein Elternteil Umgang in Form eines paritätischen Wechselmodells und ist dies im Vergleich zu anderen Betreuungsmodellen am besten für das Kindeswohl, so kann das Familiengericht das Wechselmodell anordnen – auch gegen den Willen des anderen Elternteils. Das hat der für Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit dem Beschluss vom 1. Februar 2017 entschieden.
Üblicherweise vereinbaren die Eltern das Wechselmodell frei untereinander. Der BGH Beschluss schafft jetzt die Möglichkeit dies auch per Anordnung durch das Gericht durchzusetzen. Bisher war dies nicht möglich.
Betreuungsmodelle
Getrenntlebende bzw. geschiedene Eltern von Kindern können Zeiten vereinbaren, in denen sie bestimmen, wann sich das Kind wie lange bei welchem Elternteil aufhält. Diese Festlegung können die Eltern selbstständig und eigenverantwortlich treffen.
Residenzmodell
Wenn das Kind im Haushalt eines Elternteils wohnt und der andere Elternteil nur begrenzt das Recht hat zu bestimmten Zeiten mit dem Kind Umgang zu haben, dann heißt dies Residenzmodell.
Der Unterhalt ist als Naturalunterhalt von dem Elternteil zu erbringen, bei dem das Kind wohnt. Der andere Elternteil ist dem Kind barunterhaltsverpflichtet.
Paritätisches Wechselmodell
Daneben steht das sog. paritätische Wechselmodell. Beim Wechselmodell ist der Aufenthalt des Kindes zwischen den Haushalten der Eltern hälftig aufgeteilt. Der Lebensmittelpunkt des Kindes ist sowohl im Haushalt des Vaters als auch der Mutter. Auch die Pflege- und Erziehungsleistungen sind dabei halbiert.
Die Unterhaltskosten für die Eltern können höher sein als beim Residenzmodell, dazu gehören beispielsweise zusätzliche Wohn- und Fahrtkosten. Möglicherweise müssen die Eltern aber auch Kleidung, Spielzeug und Wohnungseinrichtung für zwei Haushalte bereithalten. Die von dem Einkommen des jeweiligen Elternteils abhängige Quote bestimmt beim Wechselmodell die Teilung des Barunterhaltes. Im Falle des Wechselmodells haben grundsätzlich beide Elternteile für den Barunterunterhalt des Kindes einzustehen. Der Unterhaltsbedarf bemisst sich dann nach dem beiderseitigen Einkommen der Eltern und umfasst außerdem in Folge des Wechselmodells entstehende Mehrkosten (aktuelle Entscheidung des BGH vom 11.01.2017).
Entschiedener Fall vom 1. Februar 2017
Geschiedene Eltern eines im April 2003 geborenen Sohnes führten die neue Grundsatzentscheidung herbei: die gemeinsam Sorgeberechtigten praktizierten das Residenzmodell. Der Sohn lebte nach einer Umgangsregelung von 2012 im Haushalt der Mutter und der Vater besuchte das Kind alle 14 Tage am Wochenende.
Der Vater wünschte sich nun das paritätische Wechselmodell als Umgangsregelung, bei dem sein Sohn wöchentlich abwechselnd von Montag nach Schulschluss bis Montag zum Schulbeginn bei ihm wohnt.
Zunächst blieb der Vater erfolglos. Das Amtsgericht wies den Antrag zurück. Die Beschwerde hingegen vor dem Oberlandesgericht (OLG) wurde zurückgewiesen. Der Vater legte Rechtsbeschwerde beim BGH ein. Mit Erfolg! Der BGH hob den Beschluss des OLG auf und wies das Verfahren an das OLG zurück.
Das Gericht war bei der ersten Entscheidung davon ausgegangen, dass das Gesetz das Wechselmodell als gerichtlich angeordnete Umgangsregelung nicht erlaubt. Daher gab es keine Anhörung des Kindes, um abzuwägen, ob das Wechselmodell in Frage kommt. Der Familiensenat des OLG muss die Eltern aber vollständig darüber aufklären, was optimal für das Wohl des Kindes ist und dazu gehört auch die Anhörung des Kindes.
Im vorliegenden Fall musste das OLG die Kindesanhörung nachholen, da dies bei der ersten Entscheidung nicht stattfand. Das BGB forderte so eine neue Entscheidung des OLG, die im Sinne des Vaters möglich ist.
Für und wider des Wechselmodells
Ist das Wechselmodell optimal im Vergleich zu anderen Betreuungsmodellen, so ist das Gericht verpflichtet das Wechselmodell anzuordnen.
Folgende Punkte, sind dabei ausschlaggebend:
- Das Kindeswohl (prüft das Gericht)
- Der Wille des Kindes (Bedeutung des Faktors steigt mit dem Alter des Kindes)
- Die Berücksichtigung der Rechte der Eltern auf beiden Seiten
- Der Zustand der Beziehung zwischen den Eltern (eine bestehende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern)
Das Gesetz sieht vor, dass das Kind Recht auf Umgang mit jedem Elternteil hat und jeder Elternteil zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt ist. Das Familiengericht kann über das Ausmaß des Umgangsrechts entscheiden und regeln wie die Eltern dies erfüllen.
Es gibt keine Beschränkung des Umgangsrechts im Gesetz über das Ausmaß der jeweiligen Betreuungsanteile der Eltern. Die Möglichkeit der Halbierung der Betreuungsanteile ist möglich.
Rechtsanwältin Jutta Beukenberg: „Gesetzliche Regelungen orientierten sich bisher am Residenzmodell, was jedoch kein Grund ist, andere Betreuungsmodelle auszuschließen oder das Residenzmodell zur Norm zu ernennen, sondern nur, dass dies in der Praxis zumindest bisher eine häufige Wahl ist. Dass sich jetzt der BGH in zwei aktuellen Entscheidungen zum Wechselmodell geäußert hat zeigt bereits, dass dies auch in der Praxis ein immer häufiger gewähltes Modell ist, mit dem sich die Rechtsprechung zunehmend auseinandersetzen muss.
Die elterliche Sorge ist Teil des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Streiten sich die Eltern um den Umgang, so kann das Gericht nach der neuen Rechtsprechung auch das Wechselmodell anordnen. Das paritätische Wechselmodell kommt dem gemeinsamen Sorgerecht entgegen. Beiden Eltern setzen die Betreuung des Kindes als entsprechende Sorgerechtsausübung im gesetzlich vorgegebenen Rahmen um.
Folgende Faktoren sind bei der Wahl des Wechselmodells zu berücksichtigen:
- das Kind pendelt zwischen zwei Haushalten/Lebensumgebungen
- das Kind muss sich bei jedem Wechsel zwischen den Haushalten umstellen
- die Eltern sollten zur Kommunikation und Kooperation in der Lage sein
Diese Ansprüche sind höher, als beim Residenzmodell.
Bei einem schlechten Verhältnis zwischen den Eltern, soll das Wechselmodell nicht dazu benutzt werden, um die Beziehung der Eltern wieder zu verbessen.
Rechtsanwältin Jutta Beukenberg ist Ihre Ansprechpartnerin