An der Düsseldorfer Tabelle orientiert sich die Höhe des zu leistenden Kindesunterhaltes. Die Tabelle endete bisher bei einer Einkommensobergrenze von bis zu 5.500 Euro netto. Wer mit seinem Einkommen über dieser Grenze lag, musste nur in seltenen Ausnahmefällen einen höheren Unterhalt zahlen. Dies hat sich durch ein neues Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) geändert. Es ist in Zukunft nicht ausgeschlossen, dass sich der zu zahlende Unterhalt bei Gutverdienenden sogar verdoppelt.
Prinzip der Unterhaltstabelle
Das Prinzip der Tabelle ist einfach: Das Alter des Kindes kombiniert mit dem Einkommen des Elternteils ergeben den Bedarf des Kindes und somit den Unterhalt. Nach dem Prinzip steigt der Unterhalt degressiv bis zur 10. Einkommensgruppe, diese endet bei einem Einkommen von 5.501 Euro – danach endet also auch die Tabelle.
Ab diesem Betrag empfahl der BGH bisher eine Bemessung nach Umständen des Falls. Das heißt Mehrbedarf mussten Unterhaltsberechtigte anschaulich darlegen. Die Gerichte rechneten die Tabelle nicht hoch.
Grundsätzlich ist es schwierig einen Lebenszuschnitt für Kinder zu ermitteln, wenn die Lebensverhältnisse der Eltern erheblich über dem Durchschnitt liegen.
Ein konkreter Fall veranlasste den BGH zum Umdenken.
Hindernisse zur Fortschreibung
Der Senat des BGH hielt es bisher nicht für angemessen die Tabelle einfach hochzurechnen, wenn ein Einkommen jenseits der Obergrenze lag. Der Unterhalt sollte ab dieser Grenze bedarfsabhängig ermittelt werden.
Folgende Hindernisse erlaubten bisher keine schematische Fortschreibung der Unterhaltstabelle:
- Der BGH befürchtete Kinder könnten am Luxus der Eltern teilhaben und sich nicht mehr mit beschränkten Lebensverhältnissen abfinden.
- Außerdem bestehe die Gefahr der Zweckentfremdung. Der betreuende Elternteil soll den Unterhalt nur für das Kindes verwendet und nicht für sich selbst.
- Darüber hinaus hielt das BGH es für falsch, dass Kinder automatisch im Luxus leben, nur weil die Eltern ein Luxusleben führen.
Der Senat des BGH hat seine Meinung nun geändert. Jemand der doppelt so viel verdient, wie die Obergrenze vorsieht, muss in Zukunft möglicherweise auch doppelt so viel Unterhalt zahlen.
In Zukunft ist eine Hochrechnung der Bedarfsbeträge aus der Düsseldorfer Tabelle bis zu einem Einkommen von 11.000 Euro möglich.
Konkreter Fall
Ein Paar heiratete 2010 und bekam 2011 eine Tochter. Kurze Zeit später folgte die Trennung und 2014 die Scheidung. Die Tochter lebt bei der Mutter, der Vater ist somit unterhaltspflichtig.
Bis 2019 zahlte der Vater Unterhalt für seine Tochter gemäß einer Scheidungsfolgevereinbarung. Ab 2019 verpflichtete er sich 160% des Mindestunterhalts der Düsseldorfer Tabelle als Unterhalt zu zahlen. Der Vater wollte keine Auskunft über seinen Verdienst geben und erklärte, dass er „unbegrenzt leistungsfähig“ sei.
Seine Tochter wollte wissen, was er wirklich verdient und forderte Auskunft darüber.
Bisher musste ein unterhaltspflichtiger Elternteil, der sich zur Unterhaltszahlung nach der höchsten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle verpflichtete, keine Auskunft zu seinen Einkommensverhältnissen erteilen. Nach der neuen Rechtsprechung hat sich dies geändert.
Neue Regelung
Auch über den höchsten Tabellenbetrag hinaus ist zukünftig eine Hochrechnung per schematischer Quotenmethode zulässig zur Ermittlung des Unterhalts. Das hat der Bundesgerichtshof mit einem Urteil vom 16. September 2020 entscheiden (BGH XII ZB 499/19).
Gründe für den höheren Unterhalt
Kinder leiten den Lebenstand von ihren Eltern ab und haben darum Anspruch auf entsprechenden Unterhalt. Sie sollen von der wirtschaftlich günstige Lebenssituation der Eltern profitieren, egal, ob sie mit dem Elternteil zusammenwohnen oder nicht. Der Anspruch darf zukünftig nicht mehr grundsätzlich bei der höchsten Einkommensgruppe enden. Außerdem steigt der Bedarf mit zunehmendem Alter. Kinder können also mit steigendem Alter neue Forderungen beanspruchen.
Befürchtungen zerstreut
Die Gefahr der Zweckentfremdung sah das Gericht nicht, denn zweckentfremden können Elternteile den Unterhalt auch, wenn dieser niedriger ist.
Unterhalt ist weder als bloße Teilhabe am Luxus gedacht, noch als Vermögensbildung. Mit der neuen Regelung ist dies jedoch ausgeschlossen.
Die Düsseldorfer Tabelle ist so angelegt, dass die Beteiligung des Kindes immer weiter sinkt mit steigendem Einkommen. Die Beteiligung ist degressiv angelegt, so, dass der Unterhalt bei wachsendem Einkommen immer weniger steigt.
Folgen der Neuregelung
Für die Praxis folg daraus, dass Gerichte in Zukunft die Düsseldorfer Tabelle bis zu einem Einkommen von 11.000 Euro in Anlehnung an die bisherigen Steigerungssätze fortschreiben können. Da die Düsseldorfer Tabelle kein Gesetz, sondern nur eine Richtlinie ist, ist die BGH-Rechtsprechung auch ohne tatsächliche Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle durch die damit befasste Kommission sofort umsetzbar. Bei einem Einkommen über 11.000 Euro bleibt es bei der bisherigen Rechtsprechung des BGH.